Laufgeschichten
Rennsteig Supermarathon – Mein erstes Mal
Am Freitag Abend habe ich für meine Frau und mich ein schönes Spargelessen bereitet. Danach habe ich mich dann auf die Reise nach Eisenach gemacht. Gegen 23:00 Uhr bin ich dann in Eisenach auf dem Marktplatz angekommen, dort wo am Samstag der Supermarathon gestartet werden sollte. Das Festzelt stand bereits, viel mehr war aber noch nicht zu sehen.
Ich suchte mir dann erst mal einen Parkplatz in der Nähe um meine Auto zum Bett umzubauen. 700m entfernt vom Markt habe ich dann meine Auto abgestellt und konnte um 23:45 Uhr versuchen zu schlafen. Es waren noch andere Läufer auf diesem Parkplatz und es kamen im Laufe der Nacht auch weitere dazu. Dadurch wurde ich immer wieder wach und musste Etappenweise schlafen.
Um 4:15 Uhr klingelte dann mein Wecker. Um 4:30 Uhr dann der zweite.
Nachdem ich mich aus dem Bett gequält hatte, habe ich mich kurz gewaschen und angezogen um erst mal die Startunterlagen zu holen. Ich bin dann so gegen 5:00 Uhr an der Startnummernausgabe abgekommen. Da war schon gut was los und der Startbereich wurde aufgebaut.
Nachdem ich die Startunterlagen in der Hand hatte, bin ich zurück zu Auto und habe meine Laufklamotten angezogen. Da ich mir nicht sich war, wie das Wetter in den höheren Bereichen wird, bin ich mit Jacke gelaufen. Eine gute Entscheidung, wie sich später herausstellen sollte.
Meine Ausrüstung sah dann so aus. Eine kurze Tight, Ein enganliegendes Unterhemd eine Kurzarmshirt und eine Windstopper Jacke, die ich mir auch um die Hüften binden konnte. Außerdem noch zwei Packungen Taschentücher und eine Schirmmütze. Für die Füße habe ich dicke Laufsocken und meine stärksten gedämpften Schuhe (Asics Gel Kayano) gewählt. Die Füße habe ich zusätzlich eingecremt.
Um 5:45 Uhr war ich dann fix und fertig wieder auf dem Marktplatz um nach ein paar bekannten Nasen Ausschau zu halten. Doch leider war es etwas unübersichtlich und so bin ich um 5:50 Uhr in die Mitte des Starterfeldes gegangen und habe mich weiter umgeschaut. Kurz vor dem Start sackte sich der aufgeblasenen Startbogen zusammen und es musste auf die schnelle jemand den Bogen in der Mitte hochdrücken bis alle 2600 Start drunter durch gelaufen waren.
Um kurz nach 6:00 Uhr ging es dann endlich los. In den Gassen von Eisenach waren schon jede Menge Zuschauer zu anfeuern da. Erstaunlich für diese frühe Stunde. Auf den ersten 5 km musste man an jeder Verengung gehen, das war für mich nicht sonderlich schlimm, da ich mir vorgenommen hatte ein langsames Tempo zu laufen. Schließlich geht es die ersten 25 km stetig bergauf (ca. 600 HM).
An jeder der liebevoll betreuten Getränke- und Versorgungspunkten wurde man herzlich begrüßt und verpflegt. Ich hab an jeder Station etwas getrunken und gegessen.
Nach 18 Kilometern wurde am Verpflegungspunkt Glasbachwiese die erste Zwischenzeit genommen (2:12:39). Ich war überrascht, wie leicht es mir bis hier hin gefallen war. Die Zeit ist schnell vergangen und nun waren es nur noch 7 km bis zum ersten Höhepunkt, dem Inselsberg auf 910 m.
Auch diesen Abschnitt habe ich gut hinter mich gebracht. Danach folgte eine Mörderabstieg auf knapp einem Kilometer ging es runter auf 710 m. Wahnsinn, ich dachte meine Oberschenkel explodieren.
An der Grenzwiese habe ich dann erstmal ein paar Minuten Pausiert und den herrlichen Schleim zu mir genommen. Das ist ein Haferschleim mit Blaubeeren. Sieht komisch aus, schmeckt aber lecker!
Die nächsten 11 km bis zur Ebertswiese (km 37) liefen, bis auf eine paar Anstiege, auf einem Höhenniveau. Meine Oberschenkel hatten sich zum Glück wieder beruhigt und ich kam auf der Ebertswiese nach 4:45:21 an. Nun war es nicht mehr weit bis zur Marathon-Marke. Allerdings ging es bis dorthin wieder fast 200 Höhenmeter hoch. Naja, Augen zu und durch…
Kurz vor dem Erreichen der magischen 42,195 km kam mir plötzlich Gedanken, die ich nicht unterdrücken konnte. “Gleich hast du den Marathon geschafft, dann sind es ja nur noch 31 km, das entspricht ja genau dem Hermannslauf von vor zwei Wochen.”
Irgendwie machte mir dieses Vorstellung Angst und ich begann zu zweifeln. Wie soll ich das schaffen, schließlich war ich ja bereits mehr als 5 Stunden unterwegs. Sollte ich vielleicht bei Kilometer 54 aussteigen, weil das die letzte Möglichkeit ist, mit dem Bus nach Schmiedefeld zu kommen?
Außerdem liegt der höchste Punkt der Strecke noch vor mir.
Während ich diesen Gedanken nachhing, passierte ich die 42,195 Kilometermarke…
Das ich nun einen Marathon geschafft hatte, gab mir neuen Schwung und ich konnte die nächsten 13 Kilometer bis zum Grenzadler (km 55) ohne Probleme überstehen. Auf diesem Streckenabschnitt motivierte ich mich, indem ich mir immer wieder vor Augen hilt, das ich noch nie so lange unterwegs war, noch nie weiter als 50 km gelaufen war und das ich noch nie einen Lauf mit so vielen Höhenmetern gemeistert hatte. Mit jedem Schritt verbesserte ich also meine drei Bestmarken immer ein Stückchen weiter.
Die Verpflegungsstelle Grenzadler erreichte ich nach 7:04:51. Die Gedanken ans Aufgeben waren plötzlich wie weggeblasen. Doch die nächsten Kilometer sollten noch eine böse Überraschung für mich parat haben…
Bis zum höchsten Punkt der Strecke ging es nun bis Kilometer 62 nochmal rauf bis auf 973 m. Auf diesem Abschnitt hatte ich Probleme vom Gehen der Ansteige ist Laufen zu wechseln. Meine rechte Wade verkrampfte sich immer mehr und musste immer wieder stehen bleiben um zu dehnen. Kaum lieft ich wieder an, war der Krampf wieder da. Die Krämpfe “wanderten” in den hinteren Oberschenkel und schließlich auch ins linke Bein.
An dieser Stelle, nach gut 8 Stunden laufen, wurde ich ganz traurig und dachte, ich müsse den Lauf abbrechen. Das ganze Dehnen nutzte nichts, also versuchte ich trotz der Krämpfe wieder zu laufen. Es war, als würde ich auf hauchdünnem Eis laufen müssen, ohne einzubrechen. Ich setzte die Schritte sehr vorsichtig. Und tatsächlich wurden die Krämpfe weniger!
Ich war überglücklich einen Rhythmus gefunden zu haben um die Krämpfe unter Kontrolle zu halten.
Abgelenkt durch meine Krampfbekämpfung, passierte ich plötzlich des großen Inselberg. Völlig überrascht, den höchsten Punkt passiert zu haben, bekam ich neuen Schwung und erreichte dei Versorgungsstelle Schmücke (km 64) nach 8:27:48.
Ab jetzt geht es nur noch bergab. Ein paar fiese Rampen waren zwar dabei, aber im Großen und Ganzen ging es nur bergab.
Die letzte Getränkestelle Kreuzweg bei Kilometer 68 wird auch “Bierfleck” genannt, weil man hier Schwarzbier bekommen kann. Natürlich wollte ich ganz traditionell am letzten Stand eine Schwarzbier zischen und dann die letzten 4,5 km in Ziel laufen. Gesagt, getan. Ein Becher Wasser, ein Becher Bier und ab gings Richtung Schmiedefeld.
Die letzten vier Kilometer zogen sich und ich fing an zu rechnen.
Je näher ich dem Ziel kam, desto mehr wollte ich diesen Lauf beenden. Bergablaufen tat zu diesem Zeitpunkt auch schon richtig weh. Als ich dann die ersten Anfeuerungen und die Stimmung vom Schmiederfelder Ziel hörte, drehte ich nochmal richtig auf. Den letzten Kilometer bis ins Ziel konnte ich dann tatsächlich noch in 5:20 sprinten.
Ein kaum zu beschreibendes Gefühl überkam mich auf den letzten Metern. Wahnsinn, die Schmerzen waren wie weggeblasen. 9:30:05 stand auf der Uhr und als ich die Medaille um den Hals hatten musste ich mich erst mal hinsetzten. Ich war überglücklich und bekam ganz feuchte Augen. Ich konnte nichts sagen und wollte nur für mich allein sein. Den ganzen Trubel habe ich nicht mehr wahrgenommen. Erst nachdem ich mich umgezogen hatte konnte ich die Volksfeststimmung geniessen.
Was für ein geiles Erlebnis!
(12.Mai 2012 Thüringen) Maik Barbara
Mein erster Marathon
am 02. Oktober 2011 in Köln
Der offizielle Start für den Köln-Marathon 2011 ist erst um 11.30 Uhr. Ziemlich spät, dafür, dass die Sonne an diesem Herbstwochenende bei wolkenlosem Himmel Temperaturen weit über 20 Grad zaubert.
Diese Wärme ist eigentlich seit ein paar Tagen der einzige Gedanke an den Marathon, der mich etwas beunruhigt. Auf alles andere bin ich sehr gut vorbereitet, das Wetter muss man dann halt nehmen, wie es kommt.
Wenn es nicht megaheiß wird, ist das aber auf jeden Fall immer noch besser als Regen und Sturm.
Eigentlich habe ich ganz gut geschlafen, obwohl es lange gedauert hat, bis ich einschlafen konnte…
Gestern sind wir um kurz nach 14.00 Uhr mit dem Zug in Köln angekommen. Nachdem wir unsere Taschen ins Hotel gebracht haben, haben wir uns kurz in 3 freie Liegestühle im Biergarten vom Hyatt gelegt und etwas getrunken. Um 16.30 Uhr haben wir uns mit Sandra und Gerd auf der Messe getroffen und die Startnummern abgeholt.
Ich wollte mir dort unbedingt eine Kappe kaufen, damit ich beim Lauf einen Sonnenschutz habe. Irgendwie sahen die Kappen bei mir alle blöd aus, bis auf eine schwarze. Von zu Hause habe ich einen ganz auffälligen roten Hut mitgenommen, der aber zum Laufen bestimmt sehr unpraktisch ist. Mike hat dann die schwarze Kappe gekauft, zum Glück.
Von der Messe sind wir zum Rheinufer gegangen und haben bei einem Italiener draußen gesessen und sehr lecker gegessen. Niklas und ich haben uns Spaghetti mit Tomatensoße bestellt, am Abend vor einem Wettkampf essen wir immer Nudeln. Danach gab es noch ein leckeres Eis mit Sahne.
Komischer Weise war ich immer noch nicht aufgeregt.
Wir sind dann schon um 21.15 Uhr ins Bett gegangen. Da ich überhaupt noch nicht müde war, hat es ewig gedauert, bis ich eingeschlafen bin. Ich habe vor mich hin überlegt, wie man die schwarze Kappe etwas auffälliger gestalten kann. Luftballons oder Wasserbomben hätte man mitnehmen müssen, dann könnte am sie mit einer Sicherheitsnadel oben festmachen. Das würde bestimmt gut auffallen.
Dann habe ich mir den Start und den Zieleinlauf vorgestellt – ja, das wird schön morgen. Ich glaube, ich bin gar nicht so aufgeregt, weil ich mir sicher bin, dass es mir Spaß machen wird und ich weiß, dass ich stark genug bin, die ganze Strecke zu laufen, ohne total erschöpft zu sein. Irgendwann muss ich dann doch eingeschlafen sein…
Wir stehen um 7:45 Uhr auf, weil wir Gerd beim Halbmarathon bei Kilometer 1 am anderen Ende der Deutzer Brücke zuwinken wollen. Der Halbmarathon startet schon um 8:30 Uhr.
Der Himmel ist ganz blau, aber es ist noch etwas kühler als am Samstag.
Dadurch, dass der Marathon erst um 11:30 Uhr startet, steht für mich schon genau fest, was ich anziehe und das finde ich ziemlich beruhigend. Meine ¾ -Hose, das schwarze Top und meine neue schwarze (erste) Kappe. Ich erzähle Mike die Idee mit den Luftballons und er hat doch tatsächlich welche im Rucksack! Also mache ich mir einen kleinen rosa Luftballon mit einer Sicherheitsnadel oben auf der Kappe fest, es sieht aus wie ein großer Bommel.
Am Treffpunkt bei der Wendeltreppe auf der Brücke steht schon Sandra. Zusammen warten wir auf Gerd.
Kurz nach 8:30 Uhr kommen die Streckenfahrzeuge, ich mache Fotos von den ersten Läufergruppen. Wahrscheinlich habe ich dabei auch Sabrina Mockenhaupt erwischt, gesehen habe ich sie allerdings eben nicht. Da kommt Gerd, man kann ihn gut erkennen, er winkt uns auch schon zu.
Jetzt müssen wir noch warten, bis alle Läufer an uns vorbei gelaufen sind, da wir sonst nicht zurück über die Brücke zum Hotel gehen können. Das dauert ziemlich lange. Wir verabreden uns mit Sandra um spätestens 10:00 Uhr auf der gegenüberliegenden Seite der Brücke, um Gerd noch mal für den letzten Kilometer anzufeuern.
Um 9:15 Uhr sind wir wieder im Hotel und bleiben gleich unten im Frühstückraum. Ich esse zwei Scheiben Weißbrot mit Honig, trinke Wasser und eine Tasse Kaffee.
Dann gehen wir kurz in unser Zimmer, ich presse mir noch meine „Orange vor dem Lauf“ aus, trinke sie und dann gehen wir um 11:12 Uhr vom Hotelzimmer los.
Mike und Niki kommen mit in Richtung Start.
Da es gleich vorne auf dem Gehweg schon sehr voll ist, gehe ich alleine weiter zu meinem Startblock „Orange“.
Mike und Niki gehen schon über die Deutzer Brücke bis rüber zum anderen Ende, zu Kilometer 1
Um 11:25 Uhr stehe ich im Startblock. Zum Glück habe ich noch gelesen, dass der linke orangene Startblock vor dem rechten startet. Ich trinke noch ein paar Schlucke, bringe dann meine Wasserflasche an die Seite. Jetzt stelle ich mich etwas weiter links hin, damit ich auf der Brücke schon auf der richtigen Seite bin, wenn ich bei Mike und Niki vorbeilaufe.
Ich prüfe noch mal meinen I-pod, mache ihn wieder startklar, so dass ich nur den Knopf am Kopfhörer einmal drücken muss, wenn ich beim Laufen meine Musik starten möchte.
Den Schwamm habe ich mir unter den linken Träger vom Laufshirt geklemmt, versuche jetzt mal ihn in die kleine Tasche vom Startnummernband zu stecken. Passt zwar, aber stört mich am rechten Arm. Also doch wieder unter den linken Träger.
Gleich startet der erste Block mit den Spitzenläufern, Sabrina Mockenhaupt ist am Mikrophon und erzählt irgendetwas vom Training mit 200 Wochenkilometern.
Vor mir steht ein Japaner mit Fotoapparat und macht jede Menge Bilder, nach vorne, nach hinten und lässt dann von jemand anderem sich selbst fotografieren.
Jetzt 10 – 9 – 8 – 7 – 6 – 5 – 4 – 3 – 2 – 1 – Start, der erste Block ist los.
Nun der zweite Block, danach der Schulmarathon und der Staffelmarathon. Währenddessen rücken wir schon vor. Zum Glück stehe ich im linken orangenen Block, wir sind ja vor dem anderen dran, also nicht als allerletzte.
So, jetzt für uns: 10 – 9 – 8 – 7 – 6 – 5 – 4 – 3 – 2 – 1 – Start.
Langsam geht es los, es ist zwar relativ eng, aber bei weitem nicht so eng wie beim Halbmarathon in Berlin.
Ich laufe jetzt ganz links, fast bis zum Ende der Brücke noch ohne Musik, und beobachte die anderen Läufer. Die meisten sind mir zu schnell, da sind 2 die langsamer laufen, ein dicker Mann, wohl mit seiner Trainerin. Aber die beiden sind zu langsam. Also, erstmal alleine.
Da sind auch schon Mike und Niki, durch die selbst gemachten T-Shirts sehr gut zu erkennen. Auch, dass Niki etwas kleiner ist, fällt gut auf.
Jetzt laufen wir links rum, einen Bogen bis zur Strasse unten am Rhein. Kurz bevor es unter der Brücke durch den Tunnel geht, sehe ich Mike und Niki noch einmal oben links hinter einem Geländer stehen und winke und hüpfe, bis sie mich sehen.
Im Tunnel ist die Luft ziemlich schlecht, ich bin froh als wir wieder raus laufen.
So richtig wie „am Rheinufer“ fühle ich mich hier auf der linken Seite der oberen Strasse allerdings nicht. Man kann den Rhein eigentlich gar nicht richtig sehen. Dafür sehe ich aber Sandra und Gerd am rechten Rand stehen und winke ihnen zu.
So, jetzt würde ich mich schon über einen Schluck Wasser freuen. Vielleicht hätte ich die Flasche noch bis zum ersten Getränkestand behalten sollen.
Nach Kilometer 4 kommt dann bald der erste Stand mit Wasser. Ich hole schon mal meinen Schwamm raus, damit ich ihn in einen Becher tauchen kann und…er fällt mir runter. Oh nein, koste es was es wolle, den hebe ich wieder auf! Sich in mitten der Läufer, die sich alle auf das Trinken freuen, runter zu bücken und einen Schwamm aufzuheben ist nicht das Gemütlichste was man sich vorstellen kann, aber es hat einigermaßen geklappt.
Jetzt schnappe ich mir einen Becher, trinke 3 Schlucke und stecke dann den Schwamm in den Becher. Dann wische ich mir die Arme und den Hals ab und kippe mir die letzte Pfütze ins Gesicht. Hm, hätte mehr Wasser sein können, also beim nächsten Wasserstand 2 Becher nehmen!
Ich weiß nicht mehr genau auf welcher Höhe uns die Spitzenläufer auf der rechten Gegenfahrbahn entgegen gelaufen sind, es war jedenfalls schön anzusehen. Allerdings läuft man da drüben dann in der prallen Sonne, hier bei uns gibt es durch einige Bäume noch etwas Schatten.
Schon jetzt freue ich mich, dass ich den rosa Ballon auf meiner schwarzen Kappe festgemacht habe. Die Kinder am Rand zeigen alle auf mich und freuen sich darüber.
Das Läuferumfeld wechselt noch ständig, es überholen hier noch sehr viele, zum Teil überhole ich auch mal jemanden, aber das kommt hier noch eher selten vor. Kurz vor dem Wendepunkt fliegt mir ein fieses kleines Wesen in mein rechtes Auge. Nach zweimal reiben scheint es sich aber erledigt zu haben, zum Glück! Abspeichern für nächstes Mal: Ersatzkontaktlinse mitnehmen.
Jetzt bin ich am Wendepunkt bei Kilometer 7 angekommen, nun kann ich rechts rüber gucken, wer alles noch so nach mir läuft. Es sind schon noch einige. Nach einiger Zeit nimmt es allerdings ein Ende und ich kann die „Besenwagen“ sehen. Es sind Krankenwagen und Busse. Na, mit denen habe ich heute nichts am Hut.
Eine Frau mit einem lila Köln 2011-Shirt läuft in meiner Nähe, vielleicht passt das ganz gut, mal sehen. Bei Kilometer 9 gibt es endlich wieder einen Wasserstand.
Diesmal schnappe ich mir 2 Becher, in den ersten kommt der Schwamm, im Gehen trinke ich aus dem zweiten Becher 3 Schlucke und kippe mir den Rest ins Gesicht. Mit dem Schwamm wische ich mir die Arme und den Hals ab, den Rest des Wassers kippe ich mir wieder ins Gesicht.
Als wir durch den Tunnel laufen, laufe ich bergauf bewusst etwas langsamer, damit es weniger anstrengend ist. Die „Lilane“ ist jetzt weiter vorne, dafür läuft jetzt ein dünner Mann vor mir.
Bei Kilometer 12 stehen Mike, Niki, Sandra und Gerd mit selbst gebastelten Anfeuerungsschildern am linken Rand. Ich freue mich, auch darüber, dass ich sie immer schon von weitem erkennen kann. Am liebsten wäre ich stehen geblieben und hätte von ihnen ein Foto gemacht. Aber da ich nicht mit so viel Zeugs durch die Gegend laufen wollte, habe ich ja keinen Fotoapparat mitgenommen.
Bis Kilometer 19,5 muss ich jetzt erstmal ohne meine persönlichen Fans auskommen. Bis zum nächsten Wendepunkt am Wasserstand bei Kilometer 16 läuft alles richtig gut. Wir laufen auf der linken Fahrbahnseite und man sieht hier wieder die Läufer, die etwas schneller sind, auf der rechten Seite zurücklaufen – die Spitzenläufer sind allerdings schon weiter vorne links in die Innenstadt abgebogen. Drüben hält jemand einen Wasserschlauch vom Balkon, darauf freue ich mich jetzt schon, wenn ich mich nachher darunter abkühlen kann.
Beim Wasserstand nehme ich 2 Becher Wasser und kippe mir ganz viel über den Kopf. Dabei läuft mir wohl einiges an Wasser in das linke Ohr, jedenfalls kann ich die Musik jetzt nur noch rechts hören. Leichte Panik überfällt mich, die Musik nur auf einer Seite zu hören gefällt mir nicht so wirklich gut. Ich ruckele am I-pod rum, nix. Dann am Kopfhörer, auch nix. Dann komme ich endlich auf die Idee das Wasser aus meinem Ohr zu schütteln und nun höre ich auch links wieder meine Musik. Puh, zum Glück.
Kurz danach komme ich unter dem Balkon entlang, von dem ein Mann den Gartenschlauch über den Gehweg hält und gönne mir eine schöne Abkühlung. Diesmal läuft mir kein Wasser ins Ohr, alles ist gut.
Jetzt kommt Kilometer 19 und kurz danach der nächste Wasserstand. Hier gibt es auch Bananen, aber ich habe noch keinen Hunger darauf. Tja, ein paar Meter weiter kommt der Hunger dann aus heiterem Himmel. Die nächste Banane wird meine sein.
Ganz plötzlich stehen Mike, Niki, Sandra und Gerd am linken Rand, stimmt, hier geht es gleich links um die Kurve in die Innenstadt. Kurzes Handzeichen zu Mike – Essen, Banane? Ja, er holt die mitgenommene Banane aus dem Rucksack, aber ein Bissen reicht mir schon vollkommen. Wie es mir geht? Bis jetzt ist alles richtig gut, aber es ist ja auch noch ziemlich weit. Vielleicht laufe ich jetzt etwas langsamer, bisher bin ich ja immer unter 7 Minuten geblieben.
Und weiter geht´s. Wo ich mein Support-Team als nächstes wieder sehen werde, weiß ich in diesem Moment nicht. An mehr als an diese Ecke bei Kilometer 19,5 kann ich mich nicht erinnern, obwohl Mike noch mehr Punkte vorgesehen hat.
Ein bisschen liegt mir dieses Ministück Banane einige Zeit ungut im Magen, gern hätte ich den Geschmack aus dem Mund raus, ein Schluck Wasser nach der Banane wäre besser gewesen, auch das merke ich mir für nächstes Mal.
Da kommt das Halbmarathon-Tor, beim Durchlaufen gucke ich auf meine Zeit,
2 Stunden und 26 Minuten, das ist richtig toll. Aber es ist erst die Hälfte rum… – Korrektur im Kopf: Es ist s c h o n die Hälfte rum!
Es läuft alles ganz gut weiter, nicht allzu anstrengend, aber ich laufe jetzt auch etwas langsamer, als in der ersten Hälfte. Gut, das wollte ich ja auch so machen, die Zeiten sind jetzt etwas über 7 Minuten, völlig in Ordnung.
Da kommt auf der Rechten Seite das 25 Kilometer-Schild, das ist ja Klasse, die Kilometer fliegen ja nur so. Dann aber eine kleine Enttäuschung: Es war ein rotes Schild und als ich da bin sehe ich, dass es für die Inliner gilt, die ab hier eine Abweichung zu unseren Kilometerangaben haben. Kurz darauf kommt unser Schild auf der linken Seite, aber für uns Läufer ist es erst Kilometer 24. Hm, schade – aber weiter, es sind nur noch 18 Kilometer.
In der Stadt stehen zum Teil sehr viele Leute an den Rändern. Ich habe es mir jetzt zur Aufgabe gemacht nach Wasserflaschen Ausschau zu halten und die Leute zu fragen, ob ich einen Schluck Wasser in die Handflächen bekommen kann, den ich mir dann in mein Gesicht reibe. Das hilft sehr gut, einmal durch die Abkühlung aber auch durch die Ablenkung. Das ist eine gute Idee, so kann ich die Zeiten zwischen zwei Wasserständen sehr gut überbrücken.
Kurz vor Kilometer 29 denke ich dann doch das erste Mal daran ein paar Schritte zu gehen. Nur so, zur Erholung für den letzten Rest, eigentlich könnte ich aber noch gut weiterlaufen. Ich nehme mir vor, bis Kilometer 30 durch zu laufen und mir dann ein paar Schritte zu gönnen. Als dieser Gedanke gedacht ist, steht plötzlich genau an der Ecke, an der es rechts ab zum Kilometer 29 geht, ein Mann, der ein Tablett mit aufgeschnittenen Orangen vor sich hält. Ich nehme mir eine und ganz von innen kommt ein sehr aufrichtiges Danke an ihn aus meinem Bauch heraus. In dem Moment, in dem ich in die Orange beiße weiß ich, dass ich ab Kilometer 30 n i c h t gehen werde. Ich laufe weiter, bis ich vielleicht wirklich mal etwas Kraft aufladen muss. Diese Orange ist so lecker und der Geschmack hält noch viele Kilometer an, sogar nach dem nächsten Wasserstand bei Kilometer 31,5. Was für ein glücklicher Zufall? Ich grinse über das ganze Gesicht, so freue ich mich über diese Aufmunterung.
Ab jetzt gibt es an jedem Wasserstand jemanden, der einen Wasserschlauch auf die Laufstrecke hält und ich hebe jedes Mal meine Kappe hoch und lasse mir das kalte Wasser über den Kopf laufen. Meine gesamte Kleidung und die Schuhe sind durch und durch nass. Es ist ein eigenartiges Gefühl, wenn das kalte Wasser ganz langsam unter der engen Laufkleidung am Körper runter läuft. Manchmal dauert es einige Schritte, bis die Wasserblasen durch die Hosenbeine bis zum Knie rutschen und dann das Wasser raus tropft. Ich hoffe, dass die Haut an meinen Füßen bis zum Ziel nicht total aufweicht. Später muss ich dann Sandalen anziehen, da ich gar keine anderen Schuhe mitgenommen habe. Warm genug wird es wohl heute Abend noch sein, wenn wir zum Italiener gehen… Bestimmt ein schönes Gefühl durchs Ziel zu laufen, nur der Anstieg auf die Brücke wird sicherlich noch mal so richtig anstrengend. Na ja, wenn es weiter nichts ist.
An einem Parktor auf der rechten Seite steht eine Frau mit einem Gartenschlauch und Brauseaufsatz vorne dran. Die Kappe ganz ab, das tut richtig gut, hier kann man etwas länger im Wasserschwall stehen bleiben, da es sich besser verteilt, als direkt aus dem Schlauch.
Der rosa Ballon auf meinem Kopf, der ja eigentlich nur dafür gedacht war, dass Mike und Niki mich gut erkennen können, ist eine super Hilfe für mich. So viele Kinder strahlen mich an, wenn sie den Ballon sehen und so viele Leute feuern mich mit meinem Namen an, weil der Ballon sie auf mich aufmerksam macht. Einer kommt sogar vom Biertisch, der vor einer Kneipe steht, auf die Strecke, direkt auf mich zu uns sagt: Ramona, voll geile Idee! Das sind alles Momente, die mich vom Laufen ablenken und das kann ich ganz gut gebrauchen.
Ab und zu kommt der schwache Gedanke daran mal ein paar Schritte zu gehen, nur mal so, nicht weil ich zu kaputt bin, sondern nur um mich vorsichtshalber etwas für den Rest zu schonen. Aber erstens geht es gar nicht, weil die Leute mich ständig mit: Ramona, super – Klasse – tolle Leistung – weiter so – Du schaffst das – anfeuern und zweitens habe ich ja so konsequent trainiert, dass ich es schaffen kann, ohne zu gehen. Also frage ich die Leute immer mal wieder nach Wasser, haue mir eine Handvoll ins Gesicht, reibe mir den Rest über die Arme und laufe weiter.
Ich freue mich über meine Kappe, den rosa Luftballon und darüber, dass ich, dadurch, dass ich klatschnass „geduscht“ bin, gar nicht sooo doll schwitze, wie ich vorher dachte. Langsam fangen meine Oberschenkel an sich etwas bemerkbar zu machen, geht aber noch. Bis auf einmal ein paar Minuten leichte Seitenstiche in der unteren linken Seite tut mir sonst nichts weh.
Wenn ich die Leute sehe, die jetzt immer öfter am Rand stehen und Krämpfe haben, es sind aber nur Männer, denke ich, was ich für ein Glück habe, dass ich damit nie Probleme habe.
Was mich auch freut, ist, dass ich Mike und Niki immer schon von weitem sehen kann, den befürchteten Tunnelblick habe ich überhaupt nicht.
Trotz all diesen positiven Gedanken gehe ich zwischen Kilometer 38 und 39 ein paar Schritte, allerdings sehr zügig. Ich überlege kurz, warum eigentlich? Dann laufe ich weiter, weil mir keine überzeugende Antwort einfällt.
Bei Kilometer 39 rechne ich nach, ob ich die verbleibenden 3 Kilometer so schnell laufen kann, dass ich insgesamt unter 5 Stunden bleibe. Nein, so schnell kann zumindest ich nicht laufen.
Aber sehr viel länger als 5 Stunden werde ich nicht brauchen, das ist schön.
Kurz nach Kilometer 39 kommt der letzte Wasserstand, ob die Erfrischung bis zum Ziel reicht?
Da sehe ich Niki auf der rechten Seite stehen, wo ist Mike? Vielleicht links? Nein, da ist er nicht, ah da, er steht auch auf der rechten Seite, nur etwas später als Niki. Jetzt laufe ich noch einen Bogen und die beiden wollen mir bei Kilometer 41 am Brückenanfang noch mal Kraft geben. Von hier an rufen wieder ganz viele Leute meinen Namen und feuern mich direkt an. Also keine Chance mehr ans Gehen zu denken, gut so. Da ist schon die Brücke, links stehen Mike und Niki, hier sehe ich sie das letzte Mal vorm Ziel.
So, jetzt kommt er also, der Brückenanstieg. Noch ein paar Meter laufen, dann sehen Mike und Niki mich nicht mehr, dann gehe ich mal bergauf ein paar Schritte, habe ich mir doch verdient…Umso mehr Kraft habe ich dann für den Zieleinlauf und zum Freuen.
Tja, da hab ich aber nicht mit dem Jungen gerechnet, der links steht und sehr erbost ruft: Ramona, lauf weiter! Nach dem Motto, was mir einfällt, jetzt zu gehen. Okay, mach ich, er hat ja Recht. Neben mir läuft jetzt dem Rufen nach wohl Volker, der geht aber plötzlich, trotz der Anfeuerungsrufe, die Brücke hoch.
Ich aber nicht!!!
Ich laufe in meinem Tempo bis zum Ziel durch, ich glaube Volker hat mich bergab dann noch überholt. Ich freue mich über die Unterstützung bis zum Ziel, die man auf den letzten Metern wirklich als tosend bezeichnen kann.
Kurz vor dem Ziel reiße ich kurz die Arme hoch und bekomme Tränen in die Augen. Ich habe es geschafft! Ich bin glücklich und stolz und genau an der Schluchzgrenze.
Wo ist bloß das Wasser? Ich finde, es dauert ewig, bis ich endlich am Rewe-Verpflegungsdorf angekommen bin.
Als erstes bekomme ich die Medaille umgehängt, endlich!
Dann hole ich mir zuerst einen Becher Wasser, dann 2 Becher Cola, ein paar Apfelstücke, Salzstangen und noch mal Cola und setze mich dann irgendwie auf ein sauberes Stück Boden.
Ob ich alleine wieder hoch komme?
Neben mir sitzt ein rot verschwitzter Mann (definitiv gelaufen) und eine trockene Frau mit Startnummer, auf der Andrea steht, es ist also nicht seine Startnummer.
Ich frage, ob sie auch mitgelaufen ist. Nein, sagt sie, ich bin schwanger. Ach so, dann ist ja gut. Ja, meint sie, das rückt deine Welt bestimmt wieder in die Fugen. Sie ist nur hier, um wenigstens die Verpflegung mitzunehmen.
Jetzt stehe ich irgendwie auf, die Oberschenkel tun nun wirklich ziemlich weh, und mache mich auf den Weg zum Treffpunkt mit Mike und Niki. Am liebsten würde ich gleich ins Hotelzimmer gehen und mich aufs Bett legen. Von da könnte ich die beiden ja anrufen und sagen, dass ich schon da bin. Ich gehe aber doch am Hotel vorbei und hoffe, dass die beiden mich über die Straße schon sehen, damit ich den Tunnel nicht runter und hoch und runter und hoch muss. Kein schöner Gedanke.
Ja, sie sehen mich gleich und kommen rüber.
Ich setze mich auf die Kante einer Mauer und warte. Mike macht von Niki und mir noch einige Fotos, dann gehen wir zum Hotel.
Die warme Badewanne gibt es aber nicht, weil der Stöpsel fehlt. Beim Duschen sehe ich, wie braun ich in den 5 Stunden beim Laufen an den Armen und vor allem an den Waden geworden bin.
Meine Beine sehen lustig aus, bis zum Knie hell, dann die Waden dunkelbraun und dann wieder eine gerade Linie, unter der meine Knöchel hell sind.
Jetzt eine Stunde aufs Bett legen und ausruhen, dann gehen wir zu einem Italiener auf dieser Seite der Brücke und danach geht es endgültig satt und zufrieden ab ins Bett
Oktober 2011 (Ramona Asche)
Mein erster Rennsteiglauf (Training und Lauf)
am 21. Mai 2011 war es soweit. Da bin ich zu meinem ersten Rennsteiglauf angetreten. 72,7 km ist doch noch eine andere Nummer als die 42,2 km eines Marathons. Aber zunächst erstmal wie es dazu kam. Bei einer Feier unseres Lauftreffs habe ich mich dazu “überreden” lassen. Ob ich das schaffen werde? Aber ich bin nicht der erste, der von unserem Lauftreff daran teilnimmt. Die anderen versicherten mir, dass er viel einfacher ist als ein Marathon. Das klingt erstmal unsinnig aber man geht den Lauf einfach langsamer an. Und, um ehrlich zu sein, benötigte es eigentlich gar keine echte Überredung sondern vielmehr einen Anstoß um mich zu diesem Lauf zu bringen.
Meine Präferenz lag aber auch in diesem Jahr wieder auf dem Marathon. Soll heißen, ich wollte beim Hannover-Marathon meine persönliche Bestzeit (unter 3:10 Stunden) laufen. Ein spezielles Training für den Rennsteig hatte ich nicht im Auge. Das hätten auch die 2 Wochen zwischen dem Marathon und dem Rennsteiglauf nicht mehr zugelassen. Das Marathon-Training musste also reichen…
Dieses Jahr war alles anders. Bereits früh im Jahr habe ich meine Laufstrecken am Sonntag auf 20-25 km erhöht. Hinzu kam noch, dass ich begann einmal wöchentlich mit Arbeitskollegen im Hildesheimer-Wald zu laufen. Dabei hat sich eine bergige Strecke von 15-17 km in einer verlängerten Mittagspause etabliert.
Mein Haupttraining sollte, wie die Jahre zuvor 10 Wochen vor dem Marathon beginnen. Während ich sonst immer akribisch nach einem 10-Wochen Marathon-Plan aus einem Buch von Herbert Steffny vorgegangen bin wusste ich bis zum Beginn der Haupttrainingsphase noch nicht wie ich trainieren werde. Ein Training in Richtung 3 Stunden sollte es sein. Aber auf gar keinen Fall öfter als 5 mal in der Woche. Das hatte ich einmal gemacht… 6 mal die Woche laufen wurde mir sehr schnell zu Last. So bastelte ich mir einen Trainingsplan auf Basis einer 3:15 Zielzeit (5 mal pro Woche Training) kombiniert mit der Trainingsintensität eines 3 Stunden Plans zusammen. Aber, auch auf den wöchentlichen Lauf mit meinen Kollegen wollte ich nicht verzichten. Und so wusste ich immer noch nicht wie ich trainieren werde.
Daniel, auch ein Läufer auf unserer Gruppe, sagte “Mehr als 4 mal die Woche brauchst du für den Marathon nicht trainieren. Ich werde dir mal einen Trainingsplan aufstellen.”. Das hat er dann auch getan (Hauptbestandteil: Einmal die Woche Intervall-Training knapp über dem angestrebten Marathon-Tempo und einen langen Lauf von 30 km, aufgeteilt in einer schnellen 10 km Einheit am Anfang und am Ende des Laufes). Insbesondere die schnelle Einheit am Anfang des langen Laufes erschien mir zu heftig. Der Plan festigte bei mir aber die Idee zu einer ansteigenden Trainingsintensität zum Ende der langen Läufe. So hatte ich nun zwei Pläne in der Hand und doch keinen Plan wie ich trainieren werde.
Die heisse Trainingsphase begann. Da sich immer noch keiner der Pläne durchsetzen konnte dienten sie im weiteren Verlauf lediglich zur groben Orientierung. Es sollte eine meiner entspanntesten Trainingsphasen werden. Massgeblich dafür war der Lauf in Hildesheim, da ich abends nach der Arbeit nicht mehr los musste, und mein Training am Dienstag, welches ich parallel zum Bogenschießtraining meines Sohnes durchführte. Auch hier musste ich keinen zusätzlichen Abend für Laufen aufbringen. Damit blieben nur noch drei weitere Trainingseinheiten von Freitag bis Sonntag. Aufgrund meines sehr intensiven Trainings blieb dabei allerdings das gemeinsame Laufe mit dem Lauftreff auf der Strecke. Lediglich Freitags habe ich noch einen lockeren Lauf mit der bekannten Runde gemacht.
Mein Trainingsplan sah im Groben etwa so aus: Dienstags Intervall-Training mit 10 Intervallen von 4:00-4:10 min pro km, Mittwochs zügiger Dauerlauf (15-17 km bei ca. 5:00 min pro km), Freitags und Samtags lockerer Lauf bei 5:30 min pro km, Sonntags 30-35 km als Crescendo (beginnend mit 5:30, 5:00 und 4:30 jeweils auf 10 km). Insgesamt belief sich mein Trainingsumfang in diesen 10 Wochen auf ca. 900 km.
Da sich meine “lockeren” Läufe immer mehr dem 5:00 min Tempo annäherten festigte sich bei mir die Überzeugung dass ein durchschnittliches Lauftempo von 6:00 min pro km beim Rennsteig möglich sein sollte. Zuzüglich Pausen, wäre damit also die Zielzeit von 8 Stunden locker zu unterbieten.
Aber zuvor musste ich noch den Marathon besteiten. Ein Zielzeit von 3:05 Stunden schienen mir machbar. Würde ich aber bereits zwei Wochen nach dem Marathon wieder fit für knappe 73 km sein? Noch dazu waren ich am Wochenende dazwischen noch zu einer Weinfahrt (Weinproben inbegriffen). Würde ich also zum Rennsteig fit sein? Eigentlich stelle sich die Frage nicht. Ich war sehr gut vorbereitet und es ging mir eigentlich nur um das Ankommen.
Der Hannover-Marathon lief, den Verhältnissen entsprechend, gut. Meine Bestzeit konnte ich mit 3:12 Stunden nicht unterbieten, bezogen auf die Wetterbedingungen, Sonne und zum Teil sehr starker Gegenwind, war das Ergebnis recht gut. Die Beine erholten sich sehr schnell. Dienstag bereits wieder eine lockere Einheit und dann das Wein-Wochenende. Die Woche vor dem Rennsteig noch einmal ein Intervalltraining und am Mittwoch eine zu schnell angegangene Bergetappe, bei der sich ein Oberschenkelmuskel zu sträuben bekann. Dehnübungen konnten ihn aber wieder fit für den Rennsteig machen.
Und dann kam das Rennsteig-Wochenende. Am Freitag Abend haben wir uns im Hotel in Eisenach getroffen. Insgesamt 5 Läufer unseres Lauftreffs. Unsere Fans hatten wir auch dabei. Nach einem gemeinsamen Abendessen und anschließendem Absacker in der Hotelbar wurde die Nachtruhe eingeläutet. Leider war es in den Hotelzimmern sehr warm, sodass an Schlafen kaum zu denken war. Vielleich war auch ein bisschen Aufregung mit dabei. Morgens um 4:30 Uhr den Wecker geweckt und aufgestanden. Das gemeinsame Frühstück mit den anderen Läufern begann um 5 Uhr.
Um 6 Uhr fällt der Startschuß auf dem Markplatz in Eisenach. Dass man nun knappe 73 km laufen wird, darüber macht man sich beim Start noch keine Gedanken. Die vorderen Läufer setzen sich mit relativ hohem Tempo in Bewegung, während das restliche Läuferfeld nur sehr träge in Bewegung kommt. Selbst nach überqueren der Startlinie ist teilweise noch Gehen angesagt. Langsam geht es ins Laufen über. Auch wenn man jetzt gerne losrennen würde, gerade jetzt kommt es darauf an sich im Zaum zu halten und nicht auszupowern. Die Strecke wird noch hart genug. Die ersten 25 km gehen, abgesehen von kurzen Gefällestrecken, quasi nur bergauf. Bereits nach 7 km gibt es den ersten Getränkestand, danach sind die Abstände maximal 5 km. Die Versorgung mit Getränken und Nahrung ist sehr vielseitig und gut. An der Glasbachwiese (km 18) gibt es dann den “berüchtigten” Schleim. Einen Haferschleim mit ein wenig Fruchtgeschmack. Der schmeckt zwar ziemlich bescheiden, stellt sich aber als optimale Verpflegung heraus. Er lässt sich sehr gut aus dem Becher trinken, sättigt sofort und belastet den Magen nicht.
Nach einem gemächlichen Anstieg bis ca. km 24 muss ich das letzte Stück bis auf den Inselberg gehen. Der Anstieg wurde einfach zu steil. Später wird sich herausstellen, dass die Anstiege, die “keinesfalls laufenden Schrittes zu bewältigen sind”, immer flacher werden. Aber auf dem Inselberg angekommen, kommt nun erstmal ein ordentlicher Abstieg.
Bei km 26 wollten eigentlich unsere Fans stehen. Als ich dort ankam (nach ca. 2,5 Stunden) war keiner zu sehen. Ein kurzer Anruf bei meiner Frau klärte auf, dass ich nicht auf sie warten brauche. Sie stehen gerade bei km 20. Das Durchkommen mit dem Auto ist schwerer als erwartet, wir werden uns dann spätestens im Ziel sehen.
Als nächstes Ziel habe ich den “Marathon” im Auge. Ab dort sind es dann ja nur noch 30 km. Mal sehen wie man sich dann fühlt. Normalerweise kämpfe ich mich ja schon beim Marathon die letzten Kilometer ins Ziel. Aufgrund des gemäßigten Tempos (immer bezogen auf meinen Trainingszustand) läuft es sich aber noch sehr gut. Also noch neun Kilometer und es ist nur noch ein Halbmarathon. So langsam kommt man schon ins Grübeln, warum man das eigentlich macht. Andererseits macht es aber auch Spaß.
Bei Oberhof empfängt mich dann meine Frau. Ein Kuss, ein kurzer Statusreport, Verpflegungsaufnahme und viel Glück für die restlichen 19 km. Zunächst folgen aber noch einige Anstiege. Die Rechnerei beginnt. Kann ich es noch schaffen unter 8 Stunden zu bleiben. 19 km in 2:20 Stunden ist eigentlich kein Problem. Aber ich bin auch schon langsamer geworden und wieviel werde ich noch gehen müssen? Die Rechnerei wiederholt sich bei Restzeit 2 Stunden. Noch 15 km vor mir. Immer noch kann ich meine Geschwindigkeit nicht einschätzen. Erst als dann noch ein Stunde übrig und nur noch 6 km zu laufen waren, war ich mir sicher. Selbst wenn du jetzt den Rest noch gehen musst. Die 8 Stunden sind sicher.
Der Abschluß wurde dann noch einmal zur Entspannung. Ab km 63 geht es dann nur noch leicht bergab. Eine reine Wohltat. Überwältigend ist dann auch der Blick auf das Veranstaltungsgelände wenn man in die Zielgerade einbiegt. Das gibt einem nach einmal den letzten Schub.
Am Ende ist es einfach ein großartiges Gefühl wenn man die Strecke geschafft hat. Die Regeneration verlief sehr schnell. Am dritten Tag nach dem Lauf bin ich schon wieder 10 km gelaufen. Ob ich es noch einmal machen will, weiß ich noch nicht…
Mai 2011 (Frank Wiedemann)
„4 in 4 unter 4“ – Von der fixen Idee bis zur Umsetzung
Im Frühjahr habe ich als 3:30-Marathon-Läufer beim Marathon in Hamburg bei idealen Randbedingungen meine Bestzeit auf 3:18 Stunden verbessert. Nach der anschließenden Frühjahrspause begann die Planung für den Herbst 2007. Welche Ziele will ich anpeilen? Die Zeit zu verbessern, hielt ich kaum für möglich, da ab der Jahresmitte durch berufliche Veränderungen Training nach einem festen Plan unrealistisch schien. Einen Marathon einfach nur so auf Ankommen zu laufen, habe ich schnell ausgeschlossen, denn dazu sind der Ehrgeiz und der Spaß am Laufen inzwischen zu groß geworden. Es sollte schon eine echte Herausforderung sein. So kam die Idee, nicht einen Marathon an der Leistungsgrenze, sondern mehrere in einem reduzierten Tempo zu laufen. Für mich nannte ich die Idee „4 in 4 unter 4“ – sollte heißen, ich wollte vier Marathons an vier aufeinander folgenden Wochenenden jeweils unter vier Stunden laufen.
„Pflichtmarathon“ ist seit Beginn meiner Marathonkarriere Berlin, danach wollte ich Köln, dann München und zum Abschluss Dresden laufen. Als ich im Lauftreff davon erzählte, waren die ersten Reaktionen eher Stirnrunzeln und ungläubige Blicke. „Der spinnt jetzt total“, „Angeber“ und Sorge um meine Gesundheit mögen die Gedanken gewesen sein, als ich mich durch meine Ankündigung auch selbst unter positiven Druck gesetzt habe. Zweifel waren bei mir natürlich auch vorhanden, denn ich weiß, wie man sich nach einem Marathon fühlt und wie lange der Körper braucht, um die Anstrengungen zu verarbeiten. Aber gesagt war gesagt und Kneifen galt nicht.
Also begann ich 12 Wochen vor Berlin mit dem Training. Als roter Faden diente der Frühjahrstrainingsplan, der auf eine Endzeit von 3:15 Stunden ausgelegt ist und vier bis fünf Trainingseinheiten pro Woche mit Wochenumfängen von 60 bis knapp 100 km vorsieht. Wie gesagt, konnte ich den Plan so nicht durchziehen. Statt der 950 Trainingskilometer wurden es aber doch noch rd. 800. Ausgefallen sind oft die schnelle Intervalleinheiten – nicht verzichtet habe ich auf die langen Läufe am Wochenende, denn mir war mehr an Ausdauer als an Geschwindigkeit gelegen.
Der erste Marathon war Berlin am 30.09. sozusagen als Geburtstagslauf. Als Spezialaufgabe hatte ich Lauffreund Ingo versprochen, ihm zu einer persönlichen Bestzeit unter vier Stunden zu helfen. Berlin war wie immer sehr gut organisiert und nach einem regenreichen Sonnabend war das Laufwetter am Sonntag bestens. Die Laufstrategie sah vor, im 5:30er Tempo zu beginnen, um am Ende genug Puffer zu haben und auf den letzen Kilometern Kräfte sparen zu können. Bis km 35 lief alles optimal, dann musste ich meine Motivationsfähigkeiten einsetzen und meinen Laufbegleiter „ziehen“, um die Zielzeit nicht zu gefährden. Nach 3:54 Stunden liefen wir wie geplant über die Ziellinie und Teil 1 der Idee war umgesetzt. Nach dem Lauf spürte ich schon am Sonntag leichte Schmerzen am Schienbein. In der Nacht wurden die Schmerzen größer und am Montag und Dienstag waren sie so groß, dass ich das Bein nachgezogen habe und mich von meinen weiteren Plänen schon fast verabschiedet hätte. Die Beine an sich waren aber in Ordnung. Die bekannten Schwierigkeiten beim Treppensteigen traten trotz der deutlich geringeren Belastung ein, aber ab Mittwoch war ich wieder in Ordnung und auch das Schienbein machte weniger Probleme. Schlaf und Ernährung zur Regeneration kamen in der Woche – wie in den folgenden auch – zu kurz. Gelaufen bin ich in unter der Woche auch nicht. Ich war unsicher, ob ich mir Köln antun sollte, aber da auch Frank G. aus dem Lauftreff starten wollte, bin ich dann mitgefahren und auch gelaufen.
Bei herrlichem Spätsommerwetter war der Köln-Marathon am 7.10. der beeindruckenste Lauf. Da es der 11. Marathon in Köln war, stand er unter dem Karnevalsmotto. Kostümierte Läufer und aus jedem Lautsprecher Musik der Gruppe „De Höhner“ sorgten für Stimmung. Ich bin viel zu schnell angegangen, auch weil wir für meine Endzeit zu weit vorn gestartet sind und ich über Kilometer nicht mein Tempo gefunden habe. Mein Schienbein spürte ich auf den ersten Kilometern auch, so dass ich bezüglich der geplanten Endzeit eher pessimistisch wurde. Nach km 10 hatte ich meinen Rhythmus dann gefunden und die Schmerzen wurden weniger. Erst auf den letzten 10 km hatte ich zu kämpfen, weil das Bein auf den Kopfsteinpflasterabschnitten wieder Probleme bereitet. Aber ich lag bis dahin wegen des Anfangstempos vor meinem Zeitplan und konnte die letzten km im 6:00er-Tempo laufen. Der Zieleinlauf nach wiederum 3:54 Stunden und die Verpflegung danach waren top. Nachdem ich zur Ruhe gekommen war, meldete sich das Schienbein zurück und Montag/ Dienstag humpelte ich wieder durch die Gegend. Wie in der Vorwoche wurde es ab Mittwoch besser und am Freitag entschied ich mich, am Wochenende nach München zu fahren.
München hieß, am Sonntag, den 14.10., um vier Uhr aufzustehen und vom Wohnort meines Bruders mit dem ersten Zug nach München zu fahren. Als ich in Neustadt/Aisch bei zwei Grad Lufttemperatur im leichten Trainingsanzug auf dem Bahnsteig stand und auf den Zug wartete, habe ich mich schon gefragt, was ich hier eigentlich mache. Die Fahrt und die Nachmeldung am Olympiagelände haben reibungslos geklappt. Es ist alles sehr übersichtlich in München. Knapp 10000 Teilnehmer über alles gesehen, sind doch deutlich überschaubarer als der „Ameisenhaufen“ in Berlin. München ist am Anfang ein Landschaftslauf, denn es geht früh für viele Kilometer in den Englischen Garten. Die vielen Wendpunkte sorgen für Abwechslung, kann man doch die führenden Läufer und auch das nachfolgende Feld sehen. Wer Berlin und Hamburg kennt, vermisst die Unterstützung der Zuschauer. Sie haben sich bemüht, aber der Funke ist nicht übergesprungen – auch Köln war da viel besser. Der Lauf ist mir schwer gefallen, obwohl ich keine Schmerzen hatte. Aber ich war doch sehr müde und es war am Anfang bitter kalt. Das Ziel im Olympiastadion lockte und so habe ich kopfgesteuert den Lauf beendet. Die letzten Meter durch das Marathontor mit grellen Lichtspots und wummernder Musik waren wieder sehr emotional und die Dusche im Olympiabad wunderbar warm. Mit 3:56 Stunden hatte ich auch die dritte Etappe erfolgreich gemeistert
Am Montag spürte ich zu meiner Überraschung keine Schmerzen und konnte am Dienstag sogar einen Regenerationslauf machen. Trotz der Müdigkeit unmittelbar nach dem Lauf fühlte ich mich sehr schnell wieder fit. Nach Dresden wollte ich aber dann doch nicht, denn die Anreise war mir zu lang, zumal die Arbeitswoche wieder mit einigen Reisetagen verbunden war. Einige Lauftreffler wollten am 21.10. nach Magdeburg fahren, um den Halbmarathon zu laufen und ich habe mich angeschlossen. Marathonis und Halbmarathonis starten in Magdeburg gemeinsam. Es ist alles ein paar Nummern kleiner, aber liebevoll organisiert. Ich bin die ersten Kilometer im Windschatten eines unserer Halbmarathonis gelaufen. Die beiden ersten km-Markierungen haben wir übersehen und nach drei km zeigte die Zwischenzeit 14:45 Minuten – für Ingo sehr gut, für mich viel zu schnell. Aber da es der letzte Lauf war und ich wegen der Lufttemperatur richtig gefroren habe, bin ich immer in Sichtweite gelaufen. Nach ca. 13 km trennte sich das Feld. Für die Halbmarathonis ging es rechts ab Richtung Ziel und die kleine Gruppe der rd. 700 Marathonis folgte dem Elbe-Radweg. Das Feld war wirklich übersichtlich – am Maschsee in Hannover ist mehr los. Aber die Form war gut, die Verpflegungsstationen am Feldesrand waren dicht und so „tippelte“ ich Kilometer für Kilometer immer unter 5:30 Minuten/Kilometer durch die Magdeburger Börde Richtung Wasserstraßenkreuz Elbe/Mittellandkanal und zurück. Unterwegs gab es einen für Flachlandläufer fiesen Anstieg an der Elbe und auch der „Aufstieg“ zum Wasserstraßenkreuz hatte es in sich. Meine Zeiten blieben konstant unter Plan und 7 km vor dem Ziel wartete Lauffreund Wolfgang und hat mich nach seinem super Halbmarathon auslaufend ins Ziel begleitet. Mit 3:49 Stunden war der letzte der schnellste Lauf.
Nach dem Lauf fühlte ich mich hervorragend, ich hätte Bäume ausreißen können, wenn es auch wohl eher Bonsais gewesen wären. Die typischen Folgeerscheinungen nach einem Marathon blieben aber vollständig aus. Am Dienstag habe ich ganz normal mit der Laufgruppe die 10km-Runde gedreht.
Was ich gemacht habe, ist natürlich nicht empfehlenswert. Aber meine heutige Erfahrung sagt mir, dass ein ordentlich trainierter Marathonläufer auch in so kurzer Folge laufen kann, wenn er sich 30 Minuten mehr Zeit nimmt. Es ist dann schließlich „nur“ ein Lauf im Tempo der langen Vorbereitungsläufe. Wenn die anfänglichen Schienbeinprobleme nicht gewesen wären und ich zwischen den Läufen mehr Zeit zur richtigen Regeneration mit Massage, gesunder Ernährung und mehr Schlaf gehabt hätte, wäre sogar noch mehr möglich gewesen.
Aber auch so war es ein tolles Erlebnis, dass ich nicht missen, aber so schnell auch nicht wiederholen werde.
New York – New York“
Wenn man sich mit weit gereisten Marathonis über besondere Highlights unterhält oder in den Medien darüber liest, fallen im Zusammenhang mit dem New York Marathon immer wieder Worte wie „gigantisch“, „beeindruckend“, „großartig“, „einmalig“, „unvergesslich“ und „traumhaft“.
Den Traum von New York haben sich zwei Läufer unseres Lauftreffs im Jahr 2006 erfüllt.
Zusammen mit einer Reisegruppe um den im Raum Hannover bekannten Läufer Markus Pingpank ging es im November über den großen Teich, um an diesem Spektakel teilzunehmen.
Zuerst mit dem Zug nach Berlin und von dort mit dem Flieger nach New York. Die Hinreise war absolut problemlos und auch die Einreisekontrollen wurden nicht als besonders scharf empfunden. Die Fahrt vom Flughafen mit dem Shuttle Bus nach Manhattan war für diejenigen, die die Stadt noch nicht von früheren Reisen kannten, bereits das erste Highlight. In die beginnende Dunkelheit hinein fahrend, erreichten wir durch einen Tunnel Manhattan und das pulsierende Leben auf den Straßen war sofort zu spüren. Stop and Go hieß es fast zwei Stunden bei sogar für New Yorker Verhältnisse dichtem Verkehr.
Das Hotel lag zentral direkt an Broadway und Times Square und schon auf den ersten Blick faszinierten die bunten Leuchtreklamen. Nach der Ankunft war die Sehnsucht nach einem guten Bett groß, stand doch am nächsten Tag ein Frühstücks lauf zum Central Park auf dem Programm. Um 7 Uhr ging es los. Durch die Zeitumstellung war die frühe Zeit kein Problem, denn die Nacht war ohnehin meistens um 4 Uhr beendet.
Kühle Temperaturen, strahlender Sonnenschein und erstaunlich gute Luft begrüßten uns am Morgen. Das Wetter war die ganzen Tage konstant gut und hat sicher auch zum Erfolg der Reise beigetragen. Sonnenschein, der die wunderschön gefärbten Blätter der Bäume im Central Park leuchten ließ und im Hintergrund die Wolkenkratzerkulisse waren eine tolle Einstimmung auf die nächsten Tage.
Nach dem Frühstück begann das „Touristen Programm“. Zu Fuß oder mit der U-Bahn wurden Sehenswürdigkeiten wie die Brooklyn Bridge mit Blick auf Freiheitsstatue und Südspitze Manhattans und Ground Zero mit den beklemmenden Bildern des Anschlages auf das World Trade Center vor fünf Jahren angesteuert. Eine Fähre brachte die Gruppe dann nach Staten Island und zurück, immer mit Blick auf die Skyline von Manhattan und die Freiheitsstatue.
Anschließend wurden die Marathon Messe besucht und die Startunterlagen abgeholt. Es waren einige bekannte Läufer zu sehen und ein leichtes Kribbeln in den Beinen war zu spüren.
Am nächsten Morgen ging es zum UN Hauptquartier zum International Friendship Run. Nach offiziellen Reden und Ehrungen bekannter Laufgrößen liefen etwa 10.000 fröhliche und tlw. bunt gekleidete und bemalte Teilnehmer ca. 7 km locker durch die Straßenschluchten von Manhattan zum Central Park mit anschließendem Frühstück in einem großen Zelt.
Trotz des am nächsten Tag anstehenden Marathons schonte sich auch an diesem Tag niemand besonders, standen doch mit Rockefeller Center und dem herrlichen Blick von der Aussichtsplattform auf Central Park und das Häusermeer von Manhattan und einem Gang durch die vornehme Fifth Avenue gemeinsame Ziele auf dem Programm. Je nach Geschmack wurden auch individuell Sehenswürdigkeiten angesteuert. Abends wurde die obligatorische Pasta Party mit lauter Musik und tanzenden Serviererinnen besucht. Das anschließende Feuerwerk schenkten sich die meisten dann doch, um in Erwartung des nächsten Tages früher ins Bett zu gehen.
Am Marathontag klingelte nämlich schon vor 5 Uhr der Wecker und der Bus fuhr die Läufer um 6 Uhr durch Brooklyn und über die Verrazano Brücke nach Staten Island zum Marathonstart. Alle Läufer müssen drei Stunden vor dem Start vor Ort sein. Danach wird die Brücke für den Straßenverkehr gesperrt und steht anschließend nur noch den Läufern zur Verfügung.
Drei Stunden Zeit überbrücken ist gewöhnungsbedürftig, aber es gab zu Essen und zu Trinken, das Wetter war gut und bei Gesprächen oder einfach nur Dösen ließ es sich ertragen.
Vor der Aufstellung zum Start wurde die mitgenommene warme Kleidung einfach liegen gelassen. Sie wird traditionell eingesammelt und den Bedürftigen in New York zur Verfügung gestellt.
Am Start wurde die amerikanische Nationalhymne gesungen, ein Flugzeug flog über die Köpfe der wartenden Läufer und zu den Klängen von Frank Sinatras „New York, New York“ wurde kurz nach 10 Uhr die Startlinie überlaufen. Die ersten Kilometer über die unter den Massen der fast 38.000 Läufer schwankende Verrazano Brücke waren noch ohne Zuschauer, aber danach wurde es auch am Straßenrand voll und eine permanente und sehr emotionale Unterstützung durch die Zuschauer begann. Die meisten Streckenabschnitte waren dicht gesäumt von jubelnden Zuschauern unterschiedlichster Kulturen und Nationalitäten. Viele Läufer hatten ihre Vornamen auf dem Laufshirt stehen und wurden hundertfach, ja tausendfach direkt mit Namen angesprochen und angefeuert. Das waren die schönsten Momente des Laufes. Manche sehr religiöse Bewohner schauten auch nur stumm auf das ihrer Meinung nach sicher verrückte Treiben vor ihrer Haustür.
Die Marathonstrecke in New York ist schwierig, geht es doch auf manchmal etwas unebenen Straßen auch durch einfachere Stadtteile. Nach der Verrazano Brücke führt der Lauf durch Brooklyn und Queens, dann über die Queensboro Brücke nach Manhattan und nach einem kurzen Abstecher in die Bronx zurück nach Manhattan und dann immer Richtung Central Park. Im Bereich der Brücken sowieso, aber auch zwischendurch kamen immer wieder leichte Anstiege und Gefälle, die dann den Blick auf das endlose Teilnehmerfeld freigaben.
Unterwegs gab es wie beim Marathon üblich Getränke, aber zur Überraschung auch Schmerztabletten. Die Amerikaner haben scheinbar ein sehr entspanntes Verhältnis zu Medikamenten. Vor dem Lauf, während des Laufes und auch danach wurden ganz offiziell Tabletten gegen die Laufstrapazen gereicht.
Nach dem Zieleinlauf direkt im Central Park ging es bescheiden zu. Wer den Platz und die Versorgung z.B. beim Berlin Marathon erlebt hat, war enttäuscht. Es war eng, die Verpflegung bestand aus Mineralwasser, Apfel, Müsliriegel und Bagel und es standen keine Duschen zur Verfügung. Bei schlechterem Wetter wäre es eine Zumutung gewesen. Das passt eigentlich nicht zu der üppigen Versorgung beim Friendship Lauf und der Pasta Party. Also hieß es schnell zurück ins zum Glück nur ein paar hundert Meter entfernte Hotel und unter die warme Dusche.
Den Abschluss des Marathontages erlebten wir dann auf einem Schiff bei einer Tour entlang der Skyline von Manhattan zur beleuchteten Freiheitsstatue und zurück. Eine schöne Gelegenheit, den Tag und die Reise bei einem oder mehreren Bierchen (typisch amerikanisch Budweiser aus der Dose), einem leckerem Essen und beim Blick auf das hell erleuchtete Häusermeer Revue passieren und ausklingen zu lassen.
Am nächsten Tag trennte sich die Reisegruppe gegen Mittag. Einige hatten noch Anschlusstage bzw. –reisen gebucht, der Rest machte sich wieder auf zum Flieger nach Berlin und dann mit dem Zug nach Hannover.
Und dann war sie beendet die fünftägige Reise zum „Big Apple“. Das Erlebnis war wunderschön und wird für immer in Erinnerung bleiben. Die sportliche Leistung steht dabei nicht im Vordergrund, dafür sind die Belastungen für den Körper durch die Reise, die Zeitumstellung, die amerikanische Ernährung und die vielen Kilometer zu Fuß durch die Stadt an den Vortagen zu groß. Für Bestzeiten ist die Strecke ohnehin zu schwer und das Teilnehmerfeld zu dicht.
Es ist das Gesamtpaket, das so einzigartig ist. Die nie schlafende Weltstadt New York, der blaue Himmel im Spätherbst, das Rahmenprogramm und die tollen Zuschauer während des Marathons hinterlassen einen bleibenden Eindruck. Weder im Fernsehen noch auf den selbst geschossenen Fotos kommen die Dimensionen der Stadt und die Stimmung so richtig rüber. Man muss es live erleben, um zukünftig mit Recht sagen zu können: „gigantisch“, „beeindruckend“, „großartig“, „einmalig“, „unvergesslich“, „traumhaft“.
November 2006 Gerhard Kloth-Henkel
Berlin 2004 – Mein erster Marathon
Der erste Marathon ist geschafft. Ein herrliches Gefühl und Stolz auf das Geleistete.
Aber der Reihe nach. Die Idee, einen Marathon zu laufen, ist langsam gereift. Regelmäßiges Laufen im Lauftreff Hämelerwald und die Motivation unseres Spitzenläufers Frank ließen die Idee reifen: „Ich versuche es auch, bevor ich 45 werde“.
Die richtige Vorbereitung begann mit Bücherstudium, damit ich mir als absoluter Laie einen halbwegs vernünftigen Trainingsplan machen konnte. Mein Laufguru war durch Frank schnell gefunden – Herbert Steffny. Er hat als ehemaliger Spitzenläufer einige Bücher geschrieben und Trainingspläne für die unterschiedlichsten Laufzeiten aufgestellt – für den Anfänger sehr verständlich.
Wie schnell soll es denn sein? Na ja, „erst ‚mal ankommen“ lautete das erste Ziel, aber die „magische“ Grenze von 4 Stunden wollte ich schaffen – so groß war der Ergeiz schon am Anfang. Und als auch Eckhard, der dritte Mann für Berlin, von diesem Ziel sprach, wollte ich auch nicht länger unterwegs sein. Dafür hab’ ich dann den Trainingsplan von Herbert Steffny für eine Endzeit um 3:30 Stunden genommen, mit zunehmender Trainingserfahrung manchmal etwas freier interpretiert und meine Runden im Hämeler Wald gedreht. So komisch es klingt, am schwierigsten war es, das langsame Laufen zu trainieren. Bei diversen Rennmäusen in unserem Lauftreff ist das gar nicht so einfach und so habe ich die langen Läufe meistens allein gemacht. Trotzdem blieb die Frage: „Wie soll ich es schaffen, in Berlin viel schneller und länger zu laufen, als jemals zuvor im Training?“. Trotz immer wiederkehrender Zweifel lautet die kurze Antwort „Es geht!“.
Das Training hat Spaß gemacht, weil die Fortschritte sichtbar wurden. Die Müdigkeitsphasen nach dem Laufen wurden kürzer und die Waage zeigte auch erfreuliche Zwischenergebnisse. So richtig nervös war ich nie, das begann eigentlich erst auf der Fahrt nach Berlin. Jeder hat so seine eigene Methode mit der inneren Unruhe umzugehen. Eckhard philosophierte im Auto bis kurz vor Magdeburg nur über die Tücken und Möglichkeiten des Scheiterns. Der „Mann mit dem Hammer“ war sein Lieblingsthema. Die Raststätte nach Magdeburg hätte ich fast genutzt, um ohne Ecki weiterzufahren. Aber im Nachhinein kann ich sagen, seine Angst vorm „Sterben“, ob echt oder nur aufgesetzt, war eine zusätzliche Motivation für mich.
Die Samstagnachmittagsstunden vor dem Marathonsonntag hat die Reisegruppe aus Hämelerwald möglichst ruhig und ohne Anstrengungen verbracht. Ein paar Kilometer Pflastertreten sind dann aber doch zusammengekommen – Berlin ist halt Berlin. Abends ging es früh ins Bett, denn am nächsten Morgen sollte der Wecker um 5:30 Uhr klingeln. Aber keine Sorge, frühes Einschlafen vor einem Marathon gelingt garantiert nicht.
Nach einem leichten Frühstück ging es morgens mit der S-Bahn zum Start ins neue Regierungsviertel. Es war kühl und nieselte leicht vom Himmel – für mich ideale Voraussetzungen. Trotzdem zwickte es im Körper. „Warum tut dir jetzt der Rücken weh? Meiner Wade ging es auch schon besser ! Wenn das bloß gut geht.“ Das waren die inneren Themen auf dem Weg von der S-Bahn zum Startbereich. Um dich herum hunderte ja tausende Mitläufer – so richtig glücklich sahen die wenigsten aus.
Berlin ist toll organisiert. Trotz des riesigen Teilnehmerfeldes ging alles erstaunlich schnell und kurz nach 8:00 Uhr standen wir umgezogen im Startbereich. Frank verabschiedete sich bald, denn er durfte mit seiner Bestzeit nach vorn. Für Eckhard und mich führte der Weg als Erstläufer in den letzten Startblock. Trotz des riesigen Feldes war am Start genügend Platz und es gab keine großen Drängeleien. Es blieb sogar die Zeit, den Bäumen im Tiergarten den einen oder anderen Besuch abzustatten … .
Um 9:00 Uhr war der Start, von dem du hinten kaum etwas mitbekommst. Bis zum Passieren der Startlinie waren fast 20 Minuten vergangen. Die befürchteten Drängeleien lösten sich aber schnell auf. Die breiten Straßen boten viel Platz und so zog sich das Feld erstaunlich schnell auseinander. Auf den ersten Metern störten eigentlich nur die vielen Plastiksäcke auf der Straße, die vorübergehend als Regenschutz dienten und jetzt entsorgt wurden.
Das erste Highlight gab es gleich am Anfang, als sich das Feld nach wenigen Metern vor der Siegessäule teilte. Dann ging es in einem großen Bogen wieder Richtung Regierungsviertel. Die ersten Zwischenzeiten waren erfreulich. Das große Feld und die Zuschauer am Rand versetzen dich schon in Euphorie, du läufst einfach los und lässt dich tragen. Vom Kanzleramt Richtung Friedrichstraße hatte die Strecke Gefälle und wir Hinterherläufer konnten vor uns das riesige Feld mit dem Friedrichstadtpalast im Hintergrund sehen – ein toller Anblick.
Weiter ging es über den Alexanderplatz durch Berlins Mitte – viele bekannte Bilder, aber aus einer ganz anderen Perspektive. Bei Kilometer 12 stand der „Fanclub“ aus Hämelerwald und feuerte uns Läufer das erste Mal an. Danach ging es durch Kreuzberg und Neukölln Richtung Schöneberg. Verpflegungsstationen und Unterhaltung wechselten sich ab – über Samba, Jazz oder einfach nur Trommeln war alles vertreten.
Manche Streckenabschnitte waren aber auch ruhig. Keine Sambabands, keine Stereo-Anlagen auf den Balkonen, wenig Zuschauer, sondern nur die Laufgeräusche von tausenden Füßen auf dem Asphalt. Das monotone Geräusch wirkte sehr beruhigend. Dazwischen aber immer wieder der Lärm der Großstadt.
Bis Kilometer 25 lief alles absolut problemlos und ich lag über 5 Minuten vor meinem Zeitplan. Mir kamen doch leichte Zweifel, ob das Tempo so durchzuhalten sei. Ich sprach immer wieder mit dem „Mann mit dem Hammer“, dass er sich bloß keine Hoffnung machen solle, mich heute zu kriegen. Am „Wilden Eber“ bei Kilometer 27 hing noch ein Transparent über der Straße mit dem Spruch „jetzt die Sau rauslassen“, aber ich hab’ es dann doch etwas langsamer angehen lassen.
Die 5 Kilometer bis zum Beginn des Ku-Damms waren die langsamsten, aber die Form war weiterhin prima und auch den Beinen ging es erstaunlich gut. 10 Kilometer vor dem Ziel dann die Gewissheit, dass die Endzeit auf jeden Fall unter 4 Stunden liegen wird. Da wurden schon einige Glückshormone ausgeschüttet und die beginnende Müdigkeit in den Beinen wurde ignoriert. Jetzt gab es auch wieder Berlins Sehenswürdigkeiten zu sehen. Nach dem Bahnhof Zoo ging es zum Potsdamer Platz und dann wieder nach Berlin Mitte. Die Gewissheit, dass mit einer Endzeit unter 3:45 Stunden auch das letzte meiner Ziele zum Greifen nahe war, wurde immer stärker. Im Zickzack am Gendarmenmarkt und am Roten Rathaus vorbei, folgt am ehemaligen Palast der Republik die letzte Kurve mit der langen Geraden Richtung Brandenburger Tor.
Von da an waren es 2 Kilometer nur noch Emotionen pur. Du denkst an die unmöglichsten Dinge, wirst von den Zuschauern wie auf der gesamten Strecke angefeuert, denkst aber, dass der Jubel nur dir gilt und kommst dem Ziel immer näher. Der Lauf durch das Brandenburger Tor war dann die absolute Krönung und es flossen sogar Tränen vor Glück.
Danach noch ein paar Meter an den immer noch voll besetzten Tribünen vorbei ins Ziel. 3:44 Stunden – alle Ziele erreicht, ein phantastisches Glücksgefühl. Die weiterhin perfekte Organisation an den Verpflegungsständen und im Dusch- und Umkleidebereich taten ein Übriges, um Berlin zu einem unvergesslichen sportlichen Ereignis werden zu lassen. Und die Gewissheit war sofort da und ist auch geblieben:
Das war mit Sicherheit nicht der letzte Marathon!
Gerhard Kloth-Henkel